Montag, 27. Oktober 2008











[27OKT2008/ 01:01Uhr Nagoya/17:01 Uhr Hamburg]

Zeit entsteht dadurch, dass sie vergeht und nach ein paar Nächten und dunklen Tagen sind tatsächlich schon ¾ des Jobs hinter uns. Ich könnte nicht behaupten bereits knapp drei Wochen in Japan zu sein. Die Masse an Informationen, Bildern und Sprache hat sich in meinem Kopf angesammelt und das Gefühl für Zeit völlig aufgelöst. Parallel dazu ist eine Gewöhnung an die Fremdartigkeit eingetreten und vieles, was noch vor zwei Wochen aufmerksam betrachtet worden ist, wird nun beiläufig wahrgenommen. Dies bedeutet natürlich nicht, dass Japan seine Anziehungskraft verloren hat, eher das Gegenteil ist eingetreten, aber das Grundbedürfnis nach Schlaf und frischer Luft ist gewachsen und die Vertrautheit mit der Hotel- und Studioumgebung ist gewachsen. Es hat sich ein ‚japansicher Alltag‘ eingestellt und dieses neue Gefühl ist sehr beeindruckend. Das Bewegen in öffentlichen Räumen ist sicherer geworden, automatisch stelle ich mich auf die linke Seite, wenn ich eine Rolltreppe benutze oder halte den Türöffnungsknopf im Fahrstuhl, bis alle eingestiegen sind. Auch bei Unterhaltungen haben wir schon die japanischen Bewegungen angenommen, die sehr viel mit Kopfnicken und Handbewegungen erklären. Beim Überqueren von Straßen schaut man schon automatisch nach links (Linksverkehr in Japan), geht keinesfalls bei Rot über den Zebrastreifen oder drängelt sich vor andern durch eine Tür.

In den Straßen stehen alle paar Meter Getränkeautomaten, wo man von sehr bunten Säften, kalten Kaffee in Dosen, grünen Tee und Vitaminwasser kaufen kann. Selbst in den kleinsten Straßen stehen solchen Automaten. Daneben sind immer kleine Plastikmülleimer platziert, wo man die Getränkedosen nach Herstellern getrennt entsorgen kann. Sonst ist es fast unmöglich an anderen Orten Mülleimer zu finden. Seit 9/11 sind in Japan die Mülleimer an öffentlichen Plätzen abmontiert worden, aus Angst vor Anschlägen. Dennoch liegt nirgendwo Müll auf den Straßen. Auch die Getränkeautomaten sind sehr sauber, ohne Graffiti oder Beschädigungen. Japaner behalten ihren Müll solange bei sich, bis ein Mülleimer gefunden wird und schmeißen nichts einfach auf die Straße. Mir ist es schon ein paar Mal so gegangen, dass ich eine Getränkeflasche aus einem der kleinen Supermärkte einen halben Tag mit mir herumgetragen habe, weil kein Mülleimer zu finden war. Aus diesem Grund empfinde ich die Sauberkeit auf den Straßen sehr bewundernswert.

Eine weitere Beobachtung will ich noch kurz einfügen, die ich nicht als Wertung verstanden habe möchte, sondern nur als eine Besonderheit, die mir hier in den Straßen aufgefallen ist. Es dreht sich um die Häufigkeit von X-Beinen und O-Beinen bei den japanischen Frauen und Mädchen. Zunächst mal ist die Schuhmode ganz außergewöhnlich. Es werden mir großer Begeisterung sehr hohe Absätze getragen und ich habe immer das Gefühl, es ist mehr ein Fallen und Ausgleichen als ein Gehen. In Verbindung mit den erwähnten X-Beinen und O-Beinen ergibt das wirklich einen seltsamen Anblick. Man stellt sich unweigerlich die Frage, wie sich das bei den betreffenden Personen wohl anfühlen mag und ob es überhaupt wahrgenommen wird. Desweiteren sind Japanerinnen sehr zierlich und eher klein gewachsen. Wie mir unsere Dolmetscherinnen erzählt haben, herrscht dennoch ein großes Bedürfnis, besonders bei jüngeren Mädchen, schlank zu sein. Das mutet befremdlich an und oft sind die Beine so dünn, dass zunächst zwischen Ober- und Unterschenkel kaum ein Unterschied im Umfang zu erkennen ist, aber auch Beine und Arme nicht wesentlich auseinander liegen.

Der gestrige freie Sonntag war leider von Regen und Wolken durchzogen. Gegen 13 Uhr sind Sabrina (Fotoassistentin), Tamami (Dolmetscherin) und ich zu einer Stadtrundfahrt aufgebrochen. Zunächst haben wir uns ein Ticket für 500 Yen gekauft (circa 4,30 €) und sind in den Bus gestiegen, der auf einer Kreislinie mit mehren Sehenswürdigkeiten verkehrt. Man konnte dann aus- und zusteigen, wann immer einer der Busse erreicht wurde. Als wir am Ausgangspunkt eingestiegen sind, war schon kaum mehr Platz frei und wir standen dicht gedrängt im Gang. Der Lautstärkepegel der Unterhaltungen war recht hoch, im Gegensatz zu anderen japanischen öffentlichen Verkehrsmittel, wo nicht oder nur sehr leise gesprochen wird. Wir dachten nun, die Rundfahrt würde bald beginnen, doch es stiegen immer mehr Leute zu. Als dann der Bus endlich abfuhr konnte man freihändig stehen, weil ein Umfallen aufgrund des Gedränges unmöglich gewesen wäre. Die erste Station sollte das Toyota Museum sein und wir freuten uns schon auf mehr Platz, doch es stiegen etwa acht Leute aus und dafür zehn neue Fahrgäste ein. An den folgenden Stationen war es ähnlich und am Ende war der Bus sicher doppelt so voll als zugelassen. Unser Ziel war der Tokugawaen Park, ein sehr schöner botanischer Garten im japanischen Stil, mit Wasserfällen, einem See und vielen kleinen Wäldern. Leider hörte der Regen nicht auf und sorgte für sinkende Begeisterung. Gegen 17 Uhr waren wir wieder im Hotel.

Noch insgesamt neun Studioarbeitstage liegen vor uns, bevor wir am 5. November wieder zurück fliegen. Bis dahin lässt es meine Zeit hoffentlich noch einige Beobachtungen für den Blog zu. Am kommenden Sonntag ist ein größerer Ausflug geplant, doch dazu möchte ich an dieser Stelle noch nichts sagen.
Bild Nr. 1 Fisch (bei der Fütterung), Bild Nr. 2 Fisch (gekocht), Bild Nr. 3 Fisch (gegrillt), Bild Nr. 4 Fisch (roh).

Bis bald!

Alex

1 Kommentar:

Simon hat gesagt…

Ich finde ihr Blog sehr interessant. Diese Tamami scheint wirklich nett. Können sie uns ein bischen mehr über sie erzählen?