Donnerstag, 6. November 2008







[7NOV2008/ 06:06 Uhr Hamburg/14:06 Uhr Nagoya]

Epilog. "Ich plane einen Gefängnisausbruch! Zuerst müssen wir raus aus dieser Bar, dann raus aus diesem Hotel, raus aus der Stadt und raus aus dem Land! Sind sie dabei?" Diese Worte spricht Bill Murray in seiner Rolle als Bob Harris in dem Film ‚Lost In Translation‘. Meine Flucht ist ebenso verlaufen, wenn auch nicht freiwillig. Ich hätte Japan nicht verlassen müssen. Seit Mittwoch (5. November) bin wieder zurück in Hamburg und kämpfe seit dem gegen einen alten Gegner: die Müdigkeit zu unpassenden Zeiten. Noch am vergangenen Montag und Dienstag haben wir die letzten Motive im Studio fotografiert und im Anschluss begonnen unsere Ausrüstung zu packen. Zurück im Hotel hatte ich große Probleme mein Koffer zu schließen, da ich von unserem Studioteam so viele wunderbare Geschenke bekommen habe. Am Dienstag Abend traf sich dann das komplette Fototeam, insgesamt 16 Leute, in einem italienischen Restaurant im Toyota Gebäude in Nagoya zu einem Abschiedsessen. Es war, als säßen 16 Freunde um einem Tisch und nicht 16 Arbeitskollegen. Es wurden weitere Geschenke ausgetauscht und Fotos gemacht. Direkt danach hatten wir einen großen Partyraum bei JoyJoy-Karaoke gemietet und jeder aus dem Team musste mindestens einen Song singen. Übrigens waren die alkoholischen Getränke in der Karaoke Bar frei und es wurde ein unglaublich lustiger letzter Abend. Während unsere japanischen Freunde typische und wohl sehr bekannte japanische Lieder sangen, blieben wir bei englischen Songs und sangen sogar zu dritt ‚99 Luftballons‘ von Nena.
Nach einer sehr kurzen Nacht verließen wir Nagoya um 8 Uhr morgens in Richtung Flughafen und es war schon ein eigenartiges Gefühl aus dem Hotelzimmer zu gehen, welches für vier Wochen mein zu Hause gewesen ist. Am Flughafen dauerte es ewig, bis wir unsere Ausrüstung und das Gepäck aufgegeben hatten, zumal mein Anschlussflug von Frankfurt nach Hamburg nicht im System war und es fast so aussah, als wäre eine Buchung nicht mehr möglich. Dann war auch noch das Sicherheitssystem ausgefallen, so dass eine Schlange von etwa einem Kilometer vor der Personenkontrolle stand. Wohl mehr als eine Stunde mussten wir anstehen, bevor es weiter ging. Dann war der Abflug ebenfalls verzögert und wir alle waren froh, als wir dann endlich im Flugzeug saßen.
Nach knapp zwölf Stunden Flug, saß ich dann noch weitere vier Stunden in Frankfurt in der Lobby, bevor ich meinen Heimflug antreten konnte, der dann noch mal um knapp eine halbe Stunde später startete. Es mag befremdlich klingen, aber plötzlich wieder alle Straßen- und Verkehrsschilder lesen zu können und die Sprache zu verstehen war im ersten Moment sehr seltsam. Aus dem Flughafen Terminal bin auf der linken Seite hinausgelaufen und vor dem Taxifahrer habe ich mich verbeugt, als er mir den Koffer ins Auto gehoben hat. Schon jetzt vermisse ich den Ausblick aus dem 44. Stockwerk, die Fahrstuhlglocke beim Erreichen des Stockwerks, die Geräuschkulisse auf den Straßen, die Bentobox zu Mittagessen, die Soba-Nudeln, das Sushi, unser japanisches Studioteam, das Üben der japanischen Sprache…
Eines der Geschenke die ich erhalten habe ist eine Lernanleitung zu Kanji, der japanischen Schriftsprache. In 365 Schritten kann man 365 Basisbegriffe lernen. Wir sprechen uns im nächsten Jahr. „Lass uns nie wieder hierherkommen. Es würde nie wieder so lustig werden.", sagt Scarlett Johansson bei ‚Lost In Trabslation‘. Ich würde gerne wieder zurück nach Japan kommen. Es würde für mich immer so berauschend werden!
Bild 1 zeigt den Stadplan von Nagoya. Bild 2 eine Markierung auf dem Fußgängerweg. Bild 3 den Weihnachtswahnsinn vor unserem Hotel in Nagoya.

mata aimashoo

Alex

Montag, 3. November 2008











[3NOV2008/ 00:41Uhr Nagoya/16:41 Uhr Hamburg]

Schneller als noch vier Wochen früher, zu Beginn unseres Jobs, schiebt sich die Dunkelheit in den Tag und die Temperatur ist fühlbar nach unten gegangen. Nach ziemlich genau 264 Arbeitsstunden innerhalb von einem Monat und einem Minimum an Frischluft und Tageslicht, fühlt sich der Körper langsam seltsam an. Die Häufigkeit von Sekundenschlaf ist stark angestiegen und die Konzentration auf grundlegende Abläufe ist eingeschränkt, so dass Unterhaltungen manchmal in der Mitte abbrechen und nicht mehr aufgenommen werden. Morgen werden die letzten Einstellungen fotografiert und wir beginnen mit dem Zusammenräumen der Ausrüstung. In den vergangen Tagen habe ich eine riesige Menge wunderbarer Geschenke von unserem japanischen Studioteam erhalten. Das Austauschen von Geschenken ist durchaus ein sehr populärer und beliebter Teil der Kultur. Es kommt dabei weniger auf den Inhalt eines Geschenks an, als mehr auf die Verpackung und die Idee, welche dahinter steckt. Für unser Team habe ich aus Deutschland viele Päckchen Schokolade mitgebracht und in den letzten Wochen noch einige individuelle Geschenke hier in Nagoya gefunden, die ich am letzten Tag verteilen möchte.
Den freien Sonntag haben wir für einen Ausflug nach Kyoto benutzt. Vom Ende des 8. Jahrhunderts bis über die Mitte des 19. Jahrhunderst war Kyoto die Hauptstadt Japans (der Name Kyoto bedeutet Kaiserliche Residenz). Wenn man die ersten drei Buchstaben des Namens Kyoto ans Ende setzt erhät man den Namen der Stadt, die ab 1868 als Japans neue Haupstadt fungierte: Tokyo. Unser Fahrer Sadogawa und unsere Dolmetscherin Tamami haben uns begleitet und geführt. Einer beliebten japanischen Tradition folgend stoppten wir nach knapp neunzig Minuten Fahrt an einer Raststätte, um Getränke und Snacks für unterwegs einzukaufen. Nicht vergleichbar mit dem ungepflegten- und langweiligen Charme deutscher Autobahnraststätten, war ich mehr als begeistert von der Vielfalt des Warenangebots des japanischen Pendants. Eine unüberschaubare Menge kleiner Bentoboxen mit Süßigkeiten, Kuchen, gegrillten Garnelen, frittiertem Huhn, Reisbällchen, Schokolade, die alle wunderbar verpackt waren und preislich nicht besonders auffällig waren. In den Verkaufsräumen war kaum Platz, so viele Menschen drängten sich vor den Regalen. Ganz dem Versuch sich japanischer Besonderheiten anzunähern, haben wir dann eine große Tüte Getränke und Süßigkeiten gekauft, bevor wir wieder weiter nach Kyoto gefahren sind. Höchstgeschwindigkeit auf japanischen Autobahnen ist übrigens 100 km/h, so dass es zweieinhalb Stunden zu unserem Ziel dauerte. Der für den nächsten Tag angesetzte öffentliche Feiertag erhöhte die Zahl der Autos auf den Straßen und der Menschen bei den Sehenswürdigkeiten um ein Vielfaches. Glück hatten wir, wie immer man es auch nennen mag, weil sich erst in den nächsten Wochen die Blätter der Bäume rot verfärben und der Ansturm der Besucher sich nochmals steigern wird.
Der erste Halt war der Toji Tempel, mit drei sehr schönen hölzernen Hallen, in denen sich Buddha Statuen befinden und einer Pagode. Nach relativ kurzer Zeit sind wir weiter zum Tofukuchi Tempel gefahren, der vier unfassbar schöne Gärten innerhalb seiner Mauern vereint. Besonders der Hojo Garten ist in seiner Schlichtheit und gleichzeitigen Perfektion kaum zu beschreiben. Gleich japanischen Touristen in Europa, haben wir alles fotografiert und das Verständnis für dieses Verhalten ist nun vollkommen vorhanden. Im Anschluss haben wir in einem kleinen Restaurant in der Stadt etwas gegessen und sind dann zum nahe gelegenen Sanjusangen-do Tempel gelaufen, der in einer hölzernen Halle 1000 goldene Buddha Statuen aufgereiht hat. Leider ist es verboten dort Fotos zu machen, denn die Masse der identischen- circa 1,60 Meter großen Statuen ist beeindruckend. Man sagt, dass eines der tausend Gesichter dem eigenen gleicht, man müsse es nur finden. Um möglichst viel in kurzer Zeit zu sehen, wie es in Japan üblich ist, haben wir dann noch einen letzten Tempel besichtig (Kiyomizu Tempel), den ich bei meinem ersten Besuch in Kyoto 2006, ebenso wie den Sanjusagen-do Tempel bereits angeschaut habe. Mitten im Sonnenuntergang und umrandet von noch mehr japanischen Touristen sind wir durch schmale Straßen zum Tempel aufgestiegen, der an einem Berghang liegt und von Wald umgeben ist. Am Ende der Besichtigung wurde es dann sehr schnell dunkel und bevor wir nach Nagoya zurück gefahren sind, waren wir alle noch in einem japanischen Biorestaurant essen. Die Rückfahrt hat Sadogawa um eine Stunde beschleunigt, so dass wir gegen Mitternacht wieder in unserem Hotel waren. Viel zu wenig Zeit für die Besichtigung Kyotos, viel zu wenig für alles.
Der letzte Tag ist nun in greifbarer Nähe und noch ein Motiv steht auf dem Plan. Es wird sicher furchtbar werden sich von unserem japanischen Studioteam verabschieden zu müssen. In den letzten Wochen hat die japanisch-deutsche Sprachverständigung immer besser funktioniert und das tägliche Sehen und Arbeiten war sehr vertraut. Für den Abend haben wir in einem Restaurant in Nagoya Tische für eine Abschlussfeier bestellt und im Anschluss einen Saal in einer Karaoke Bar reserviert. Der Rückflug am 5. November wird um 11 Uhr morgens Nagoya verlassen und trotz zwölfstündiger Dauer um 15.30 Uhr (MEZ) in Frankfurt landen. Ich habe heute nicht den Eindruck einen ganzen Monat in Japan verbracht zu haben. Die Umstellung wird sicher eine ganze Weile in Anspruch nehmen. Ich muss aufhören mich in Gesprächen zu verbeugen und Domo Arigato (Vielen Dank) zu sagen, auf der Rolltreppe links zu stehen, zu Schlürfen beim Nudelessen, erst nach rechts beim Überqueren der Straße zu schauen und mich wieder an die Benutzung von Messer und Gabel gewöhnen.
Für mich war es eine wunderbare Zeit…
Bild 1 zeigt den Sonnenuntergang über Kyoto vom Kiyomizu Tempel aus. Bild 2 zeigt eine der vielen Geishas die in Kyoto das Stadbild prägen. Nur in Kyoto werden sie Maiko genannt. Auf Bild 3 ist ein Teil des Sanjusangen-do Tempels zu sehen. Ein kleiner Teil des wunderschönen Hojo Gartens sieht man auf Bild 4.
Shitsuree shimas (ich muss weiter)
Sayoonara!

Alex