Donnerstag, 23. Oktober 2008







[24OKT2008/ 6:31 Uhr Nagoya/23:31 Uhr Hamburg]

Bei meinem ersten Besuch in Japan 2006 hat die japanische Gesellschaft wie ein großer schwarzer Block auf mich gewirkt, der seine Geheimnisse bewahren will. Es schien unmöglich gewisses Verhalten zu verstehen und zu deuten. Immer wieder hatte ich in den letzten Tagen die Möglichkeit mit unseren Dolmetscherinnen, aber auch mit unserem Studio Team einige meiner Fragen zu klären, die Politik, Gesellschaft und Tradition betreffen.

Japan wird durch eine parlamentarische Monarchie regiert, wobei Tenno Akihito (Kaiser) nur zeremonielle Aufgaben wahrnimmt, sowie Minister ernennt und Gesetze verkündet. Die Staatsgewalt liegt beim Parlament, welches aber vom Premierminister (derzeit Taro Aso) berufen wird. Die Politikverdrossenheit der Japaner ist groß, so dass zu den Wahlen durchschnittlich nur 40% der Wahlberechtigten gehen. Es besteht die Überzeugung, dass die Abgabe einer Stimme an der Situation im Land und an der Unzufriedenheit mit der Staatsführung nichts ändern wird. Das Interesse an der kaiserlichen Familie ist bei den jüngeren Japanern eher gering, auch wenn immer noch Schulklassen zu den seltenen öffentliche Auftritten des Kaisers gefahren werden. Besonders die Frisuren der weiblichen Familienmitglieder im Kaiserpalast stoßen auf Unverständnis…

Beliebteste Sportart in Japan ist übrigens nicht Sumo, sondern seit mehr als 30 Jahre Baseball. Schon über einhundert Jahre in Japan gespielt, ist wohl die Häufigkeit der Berichterstattung im TV in den vergangenen drei Dekaden stark angestiegen, so dass man den Eindruck haben könnte, es gäbe keine anderen Sportarten. Bisher war ich morgens vor der Fahrt ins Fotostudio schon einige Male in einem zwanzig Minuten entfernten Park laufen und gleich zu welcher Zeit ich dort vorbei gekommen bin (meistens ab 6.30 Uhr), die öffentlichen Baseball Felder waren immer voll besetzt und alle waren in entsprechend professioneller Kleidung beim Spielen. Da viele Japaner sehr lange in den Abend hinein arbeiten, sind die frühen Stunden des Tages oft die einzige Möglichkeit für Sport. Sumo wir hingegen, nachdem es in den letzten Jahren ein wenig unpopulär geworden ist, wieder mit wachsender Begeisterung angenommen. Erstaunlich ist allerdings, dass die ersten beiden Plätze der Großmeister (yokozuna) von zwei Sumo-Ringer aus der Mongolei besetzt sind.

Für Japaner ist es sehr wichtig Teil eines Teams sein zu können, sei es im Sport oder am Arbeitsplatz. In den Bars sieht man abends große und kleine Gruppen Anzugträger, die bei ein paar Getränken sehr kommunikativ zusammensitzen. Nach Aussagen unserer Dolmetscherinnen hat das zunächst den eben erwähnten Grund Teil einer Gruppe sein zu wollen. Es bleibt wenig Zeit um Freunde zu finden, also werden die Arbeitskollegen zu Freunden gemacht. Überraschend finde ich den zweiten Grund, dass Japaner, vor allem etwas ältere Männer, sehr unterhaltsam sein können, wenn sie sich an öffentliche Orten wie Bars oder Restaurants befinden, aber ungern nach Hause gehen, weil sie sich schwer damit tun, in der eigenen Familie zu öffnen oder wahre Emotionen zu zeigen. Es gibt in der japanischen Sprache sogar eine Formulierung die in etwa ‚meine ungeschickte Frau‘ bedeutet, häufig von etwas älteren Männern benutzt wird und keinesfalls liebevoll gemeint ist. Jüngere Japaner verweigern sich dieser Formulierungen komplett. In der Öffentlichkeit ist der Mann in den meisten Fällen der dominierende Teil, während die Frauen zu Hause wohl mehr Macht besitzen. Zum Glück scheinen diese Strukturen bei den jüngeren Generationen sich nicht durchzusetzen.

Tradition spielt in Japan eine sehr große Rolle. Auch hier sind junge Japaner daran ihren eigenen Weg zu finden und die festen Vorgaben und Regeln neu zu definieren. Konservative Japaner bemängeln übrigens, dass moderne junge Familien ihre Kinder ohne Ohrfeigen erziehen. Noch heute werden manche Ehen von den Eltern arrangiert, auch wenn die Zahl stetig fallend ist, aber Tradition ist hier ebenfalls ein zentraler Aspekt. So gestehen zum Beispiel japanische Manager oder Geschäftsleute ihren Töchtern eine Zeit im Ausland zu, inklusive Beziehungen zu nicht japanischen Männern, doch der Ehemann muss ein Japaner sein. Überhaupt sieht man wenige Pärchen in den Straßen, die sich an den Händen halten oder gar küssen, nur manchmal stehen in den Ecken des Nagoya Hauptbahnhofes Paare dicht beieinander und kuscheln, aber immer mehr versteckt.

Was die Wohnsituation betrifft habe ich erfahren können, dass die Preise, nicht anders wie im Rest der Welt nach Lage und Größe richten. So bezahlt Nomura 60000 Yen (circa 480€) für 60 Quadratmeter. Beim Kauf einer 3-Zimmer Wohnung muss man schon 37 Millionen Yen (etwa 300000 €) bereit halten. Dennoch wirken die modernen japanischen Wohngebäude sehr klein und kompakt, fast so als könnte man nicht aufrecht darin stehen.

Hier noch ein paar Besonderheiten kurz angefügt: Das Naseputzen am Tisch ist nicht gerne gesehen. Vom Tisch wegdrehen oder den Raum verlassen ist die bessere Wahl. Die Zahl vier ist eine Unglückszahl (ähnlich der 13 bei uns) und hat etwas mit dem Tod zu tun. Das Zeigen mit den Fingern auf eine Person ist unhöflich. Weiß ist eine Trauerfarbe (wie das Schwarz in Europa). Man vermeidet in de Regel langen Augenkontakt. Japanische Toiletten sind voller Technik. Die ‚Sitzfläche‘ ist beheizt und in unterschiedlichen Wärmestufen geregelt. Körperkontakt in der Öffentlichkeit wie Händeschütteln oder Umarmungen habe ich hier noch nie gesehen. Bei Erkältungen tragen Japaner Mundschutz und Handschuhe in der Öffentlichkeit um auch andere vor Ansteckung zu schützen. Die Buchstaben R und L sind für Japaner wirklich schwer auszusprechen und mir fällt spontan kein Wort mit diesem beiden Buchstaben ein. Dunkelblaue Anzüge, weiße Hemden und Krawatte werden meiner Meinung nach weltweit nicht häufiger getragen als in Japan.

Sicher werden viele meiner Beobachtungen nicht für alle Japaner zutreffen und die Erzählungen unserer Dolmetscherinnen subjektiv bestimmt sein, doch glaube ich einige Aspekte Japans richtig eingeordnet zu haben.

Bild 1 zeigt die ‚Grundausstattung‘ in allen japanischen Restaurants. Die feuchten- und oft sehr heißen Tücher sind für die Reinigung der Hände. Das Wasser ist umsonst und wird immer nachgefüllt. Man muss kein weiteres Getränk bestellen. Auf Bild 2 ist ein Wohnhaus am Rand der Stadtautobahn zu sehen. Bild 3 spricht für sich.

Bis bald!

Alex

Keine Kommentare: